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5 Fragen an: Martin Donat

Die ersten Exemplare des Lifecyclemags sind unterwegs… kennt ihr nicht? Noch nicht! Martin Donat könnte man aber kennen, zumindest wenn man in der Vergangenheit aufmerksam das Mountainbike Rider oder das Spoke Magazin gelesen hat. Bevor ich aber meine Nase in eines der gedruckten Exemplare (offiziell im Shop bestellt und bezahlt) drücken kann, habe ich mich bei Martin schlau gemacht, was es mit dem Lifecyclemag auf sich hat. Viel Spaß!

1. Braucht es wirklich noch ein Radmagazin….
Wenn du mich das so pauschal fragst, würde ich ohne lange zu überlegen sagen: nein! Gerade in Deutschland gibt es wirklich ganz schön viele Radmagazine. Und so habe ich mir diese Frage vor ein paar Monaten auch gestellt. Und relativ schnell eine Antwort gefunden. Ich hatte ja gerade meinen alten Job in einem Verlag gekündigt, für den ich jahrelang Fahrradmagazine gemacht habe. Ich musste nicht zwangsläufig ein eigenes Magazin gründen, irgendein Job wäre auch ok gewesen. Für mich stand aber fest, dass ich, bevor ich mich bei Rewe an der Kasse bewerbe, versuche etwas zu tun, das mir Spaß macht, für das ich brenne und das mich glücklich macht. Und das ist nunmal mit dem Fahrrad Abenteuer zu erleben, darüber zu schreiben und hoffentlich damit andere zu unterhalten und zu inspirieren. Somit war die Frage weniger: braucht man noch ein Radmagazin. Vielmehr war ein weiteres Radmagazin die Antwort auf die Frage: worauf habe ich richtig Bock? Womit wir auch schon zu deiner zweiten Frage kommen…

2. …und was unterscheidet das Lifecyclemag von anderen?
Das ist eine gute Frage. Denn ich glaube, das ist eine ganze Menge. Diese Menge kann man aber auf einen ganz einfachen gemeinsamen Nenner herunter brechen. Das lifeCYCLE Magazin verkörpert meine (und Stephans) Leidenschaft für den Sport, für das Fahrrad an sich und für die Menschen, die sich damit auf die Art und Weise beschäftigen, wie wir es auch lieben. Wir müssen keine Vorgaben von irgendeinem Verlag erfüllen. Wir machen hier zu 100% unser Ding. Wir haben von Anfang an gesagt: alles, was uns in unseren alten Jobs genervt hat bzw was wir für veraltet oder sinnlos gehalten haben, lassen wir einfach weg. Einfaches Beispiel: die Vertriebsart. Normale Magazine werden über den deutschen Grosso Vertrieb verkauft. Diese Vertriebe beliefern rund 150.000 Shops in Deutschland. Tankstellen, Kioske usw. Jeder der rechnen kann, kann sich ausmalen, welche Unmengen von Heften ich drucken müsste, um in jedem dieser Shops nur einmal auszuliegen. Und dann liege ich dort aus und muss auf den unwahrscheinlichen Fall hoffen, dass jemand vorbeikommt, der sich nicht für Auto-Tuning- oder Tittenmagazine interessiert, sondern für ein Fahrradheft. Das Ergebnis ist, dass der größte Teil der Hefte ungelesen in den Papiermüll wandert, das ist ganz normal in diesem Special-Interest Bereich. Das finde ich zum einen traurig, denn ich habe viel Zeit in mein Magazin investiert. Zum anderen ist es eine riesige Papierverschwendung und es kostet zudem richtig viel Geld. Also haben wir gesagt: wir verkaufen nur übers Internet. Das hilft uns, nicht nach einem Magazin pleite zu sein, außerdem spart es tonnenweise Papier und schont somit die Umwelt. Früher haben wir im Akkord gearbeitet. Jetzt lautet unser Heft-Motto: weniger ist mehr! 4 Hefte im Jahr müssen reichen. Sommer, Frühling, Herbst und Winter, lifeCYCLE eben. So eine Art Slow-Food, nur eben als Print-Magazin. Inhaltlich unterscheidet sich unser Heft ebenfalls etwas von anderen, typisch deutschen Magazinen: wir verzichten weitestgehend auf Produktvorstellungen und Tests. Jeder, der sich für technische Infos zu einem Produkt interessiert, googled kurz danach und findet Unmengen dazu. Das Internet kann man jedoch nicht beiseite auf den Couchtisch legen und irgendwann seinen Kumpels zeigen. Es hat keine Seiten, auf denen man große Bilder ganz in Ruhe anschauen kann. Das internet kann man nicht umblättern und es hat nicht diesen typischen Geruch von bedrucktem Papier. Und wenn man das Browserfenster zu macht, verschwindet der Artikel für immer im Daten Nirvana. In unserem Heft wollen wir Geschichten erzählen, die bleiben und Bildern ihren Raum geben. Wer sich für technische Infos zu benutzen Produkten interessiert, sich ein Video anschauen will oder sich GPX Daten zu gefahrenen Touren ziehen will, wird am Ende jeder Geschichte auf die ergänzende Seite unserer Webpage verwiesen.

3. Du verzichtest weitestgehend (oder konsequent?) darauf mit dem Auto zu fahren, warum?
In der Tat mache ich das ziemlich konsequent. Ich hatte schon lange keinen Bock mehr aufs Autofahren. Autofahren ist tote Zeit. Man ist immer genervt und erschöpft, wenn man ankommt. Außerdem entwickelt sich der Verkehr immer mehr zum echten Wahnsinn. Ich wohne ja im Ruhrpott und da kann man morgens im Berufsverkehr sehen, was vermutlich irgendwann ganz Deutschland ereilen wird, wenn man nichts ändert: Stillstand. Warum? Weil dort unfassbar viele Menschen einzeln in ihren SUVs sitzen und in einer unfassbar ineffizienten Art und Weise ihre faulen 7 Buchstaben irgendwo hin bewegen. Nun kann man dort sitzen und sich grün ärgern oder man macht etwas anders. Also fing ich damit an, mit dem Rad ins Büro zu pendeln. Danach ist man nicht genervt, sondern frisch und voller Energie. Gegen schlechtes Wetter hilft die passende Kleidung. Man fühlt sich besser, ist gesünder und kann mehr essen, ohne fett zu werden (ein wichtiger Punkt, ich esse für mein Leben gern!). Es ist ja kein Geheimnis mehr, für welch große Menge typischer Zivilisationskrankheiten, infrastruktureller und sozialer Probleme das Fahrrad eine total einfache und erschwingliche Lösung ist. Es ist schon fast lachhaft. Also eigentlich müsste man eher alle fragen, die es nicht tun: warum fahrt ihr mit dem Auto? Passend zum Magazin Start habe ich dann gesagt: ich will kein Auto mehr. Und dann kann ich es ja auch gleich zum Magazin-Prinzip erklären. Alle Geschichten im Magazin entstehen zu 100% ohne Auto. Entweder radel ich oder ich nehme den Zug, wenn es nicht anders geht. Ich habe es noch keine Sekunde bereut. Im Gegenteil: ich habe schon jede Menge echt witzige Geschichten erlebt durch die Kombi aus Rad und Zug!

4. Was bedeutet Nachhaltigkeit für Dich?
Nachhaltigkeit bedeutet für mich so zu leben, dass ich damit möglichst wenig Spuren hinterlasse. Zumindest keine unangenehmen. Das ist natürlich im Falle Mensch einigermaßen utopisch. Aber ich finde, man sollte öfter mal den Kopf anschalten und wenigstens drüber nachdenken, welche Konsequenzen das ein oder andere hat, was man so macht. Ein paar Beispiele? Wenn ich ein Magazin produziere, das auf weißem Hochglanzpapier in Polen möglichst billig gedruckt wird und dann über den deutschen Grosso Vertrieb verkauft wird, hinterlasse ich Unmengen von unschönen Spuren: zum einen werden dafür vermutlich irgendwo in den Tropen unter Umständen, die ich nicht kennen will, ohne Ende Bäume gefällt. Die werden dann unter Einsatz von unschöner Chemie verarbeitet und mit sehr viel Energieaufwand nach Polen transportiert, wo die Druckerei wiederum jede Menge Chemikalien verwendet, um darauf möglichst billig schön glänzende Druckerzeugnisse herzustellen. Die werden dann hunderte von Kilometern durch halb Europa gekarrt und sind auf wundersame Weise hinterher immer noch billiger, als wenn ich es in einer deutschen Druckerei um die Ecke machen lasse. Und dann werden 80% der Hefte geshreddert, weil sie nicht gekauft werden. Ist das Nachhaltig? Irgendwie nicht. Also haben wir versucht, es anders zu machen. Wir drucken auf Recyclingpapier, bei einer Druckerei 20 km von unserer Redaktion entfernt, die nachweislich so umweltverträglich wie nur möglich produziert. Wir drucken nur so viele Hefte, wie wir meinen, verkaufen zu können. Damit retten wir nicht die Welt. Aber zumindest haben wir uns so unauffällig verhalten, wie es uns nur möglich ist. Aber Nachhaltigkeit bedeutet für mich auch, ganz privat im Alltag das Hirn anzuschalten. Beispiel Supermarkt: Ist Billigfleisch vom Discounter eine gute Sache oder mache ich einfach mal die Augen auf und interessiere mich dafür, wie so etwas entsteht? Warum kostet der dicke, glänzende Apfel aus Neuseeland genau so viel, wie der kleine schrumpelige aus Deutschland und welchen soll ich nur kaufen? Muss ich mitten im Winter frische Erdbeeren in meinem Früshtücksquark haben und warum haben die bloß so wenig Geschmack, obwohl sie so schön glänzen? Anderes Beispiel: „Emissionsfreies Autofahren mit Elektroautos“. Habt ihr mal darüber nachgedacht, woher diese Autos ihre Energie beziehen? Emissionsfrei, da kann ich nur lachen, wer diesen Begriff in diesem Zusammenhang benutzt gehört für mich umgehend suspendiert. Interessiert euch mal dafür, was passieren würde, wenn von heute auf morgen alle Autos mit gängiger Akkutechnik angetrieben würden. Ich sage ja nur…

Auch, wenn das jetzt ein bisschen so klingen mag: mir liegt nichts ferner, als den Moralapostel zu spielen. Eigentlich sage ich nur eines: Lasst euch nichts erzählen sondern schaltet euer Hirn an. Das ist halt in vielen Fällen problematisch…

5. Cross Country, Downhill, Rennrad…. was fährt Martin Donat in 10 Jahren?
Hoffentlich immer noch alles! Meine Vision wäre die, dass ich irgendwann mit Fahrrad und viel Schwung einen großen Sprung springe, direkt in die Holzkiste, die ich dann von innen verschließe. Spaß beiseite. Ich glaube nicht, dass der Tag kommt, an dem ich dieses Radfahren plötzlich doof finde. Ich habe immer schon alle Disziplinen gemocht und daran wird sich auch vermutlich nicht viel ändern. Wobei ich in den letzten Jahren eine leicht eskalierende Entwicklung in Richtung Ausdauer-Sport beobachten kann. Ich will irgendwann nochmal was richtig abgefahren Langes machen. Mal sehen wo das hin führt. Mein Plan C oder D ist jedenfalls eine Weltumradlung. Einfach losfahren und schauen, was passiert.

 

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1 Comment
  1. Stephan

    23. November 2017 9:56

    Schönes Interview, freue mich schon auf das Magazin! Bin Ganzjahresfahrradpendler, fahre in der Freizeit Rennrad und verdiene mein Geld im Pressevertrieb, deshalb eine kleine fachliche Korrektur: Es gibt in Deutschland aktuell ca. 112.000 Verkaufsstellen für Presse. Davon sind ganz viele lediglich Bäckereien, die nur Tageszeitungen verkaufen. Wenn der Vertrieb alle verfügbaren Verkaufsstellen beliefert, ist da etwas ganz schön schief gelaufen.
    Wir betreuen diverse Radmagazine, die bieten wir in den Verkaufsstellen an, in denen sie auch eine Chance haben. Und das sind dann vielleich mal 10.000 Verkaufsstellen oder auch mal nur 500, je nachdem.
    Jedenfalls: ganz viel Erfolg mit dem Lifecyclemag!

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