Anzufangen ist wichtiger als anzukommen.
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Saharahitze

Gestern abend hatte ich keine Möglichkeit den Blog zu aktualisieren. Dafür gibt es heute 2 Beiträge.

8,3 l Flüssigkeit. ACHTKOMMADREI LITER. Und ich habe immer noch Durst.

Meine Frau und ihre Freundin machen heute “Mädelsabend”, deshalb bin ich heute noch nicht nach Korschenbroich gefahren, sondern sitze hier in Stürzelberg (nicht lachen) und warte auf mein Matjesfilet Hausfrauenart.

Zeitsprung….
Das Matjesfilet war köstlich. Und das meine ich nicht ironisch. Es war besser als sehr gut. Und das Vanilleeis mit Erdbeeren danach erst…

Zeitsprung…
Um 5.30 Uhr weckt mich Vogelgezwitscher oder die vor meinem Fenster aufgehende Sonne oder der Dieselmotor eines der Frachtschiffe, die Tag und Nacht Rheinauf- und Rheinabwärts unterwegs sind. Und es ist schon wieder, bzw. immer noch so warm. Ich versuche mit mäßigem Erfolg den Sonnenaufgang zu fotografieren, lege mich wieder ins Bett und schlafe nochmal für 1 Stunde ein.

Es folgen duschen, Rucksack packen, frühstücken, Rad schnappen, losfahren. Jetzt habe ich es doch eilig, kein Ziel zwar, aber Lust auf Meter machen. Draussen laufe ich erstmal gegen eine Wand aus heisser Luft. Der Fahrtwind wirds richten denke ich mir und fahre los.

Remagen mit seinem Friedensmuseum und den Überresten der berüchtigten Brücke ist schnell erreicht. Vor Ort treffe ich ein Ehepaar aus den Niederlanden, die von der Schweiz startend den gesamten Rhein hinabgefahren sind. Die Räder sind bepackt, ihre lachenden Gesichter sprechen Bände. 1.400 km haben sie hinter und noch einige vor sich, bis sie ihre Reise im Norden der Niederlande beenden.

In der Altstadt von Remagen fülle ich zum ersten Mal die Trinkflaschen mit Wasser. Der Untergrund des Radweges ist gut und ich lasse es rollen bis ich kurz vor Bonn rechtsrheinisch den Petersberg liegen sehe und bekomme Lust auf ein Panoramfoto des Rheintals. Zufälligerweise legt in diesem Moment ein Fähre an, ich interpretiere das als Zeichen und so nehme ich den bequemen Weg übers Wasser.

Während der sehr kurzen Überfahrt spricht mich ein ebenfalls bärtiger, rennradelnder, allerdings etwas älterer und fülligerer Brite an. Er lebe da, wo andere Urlaub machen, ich meine Nottingham, er das Rheintal, dass nun seine erste Heimat ist. Gutgelaunt düst er los, kaum das die Fähre angelegt hat. Dabei wollte er mir doch den Weg zum Petersberg zeigen. Als ich ihn einhole, so lange dauert es ja nicht, merke ich, dass er einfach weitergesprochen hatte, er wähnte mich wohl direkt hinter ihm. “….und dann musst Du nur die Straße da hoch und noch ein bisschen weiter…” sagt er fröhlich und zieht seiner Wege. Ich tue wie mir geheißen… Und noch ein bisschen weiter. Etwa 250 HM sind zu bewältigen, diese haben es aber in sich. Was tut man nicht für ein Foto.

Mir gelingt es noch, dem Bistromitarbeiter für 3,00 € einen Liter Wasser abzukaufen, dann rolle ich wieder runter vom Berg der keiner ist, sich aber so anfühlt. Der Flüssigkeitszähler resümmiert und meldet: 2,5 l. Die giftigen Serpentinenkurven sind nicht nur bergauf schwierig zu fahren. Vorsichtiger als sonst fange ich recht früh an zu bremsen. Der Strassenbelag ist zwar griffig, aber ich möchte einen Sturz tunlichst vermeiden. Versaut einem den Tag! Die Fähre legt an, als ich zum Pier rolle. Wieder linksrheinisch blase ich zur Attacke auf Bonn. Dort angekommen halte ich ein Schwätzchen mit einigen Greenpeaceaktivisten.

Schnell unterschreibe ich noch eine Petition bevor ich wieder aufbreche. Die Sonne zeigt sich heute unfreundlich und unbarmherzig. Zum Glück ist der Radweg größtenteils von Bäumen gesäumt. Beim durchfahren ihrer Schatten fällt mir auf, dass kein Sonnenschirm der Welt so effizient Schatten spenden kann wie ein Baum. Mein Aufruf an die geneigten Leser, sollte es diese geben, lautet: Leute, pflanzt Bäume!

Inzwischen meldet sich auch wieder Kollege Hunger mit einer dringenden Durchsage. Aber erst muss eine Industrieanlage in Godorf umfahren werden. Aus bunter Promenadenmischung wird graue Tristess. Es stinkt nach Chemie und die am Strassenrand vor sich hinfaulende tote Katze hat sich vermutlich freiwillig geopfert, weil sie hier nicht leben wollte. Nase zu und durch. Nach der Umfahrung geht es weiter am Rhein entlang. Kurz vor Köln fülle ich meinen Wasservorrat auf. Auch finanziell merke ich, dass Köln nicht mehr weit sein kann: 7,50 € für 3 Halbliterfläschchen Metrobrühe! Aber selbst schuld, wer zu faul ist in den Supermarkt zu fahren. Im Kopf summiere ich den Wasserverbrauch (4 l), sowie die geleisteten Aufwendungen für die Versorgung mit dem elementarsten aller Elemente. Wasser ist nicht alles, aber ohne Wasser ist alles nichts.

Ohne weitere Stopps setze ich meinen Weg in die Jeckenhauptstadt fort. Ein einladend wirkendes Restaurantschiff mit dem klangvollen Namen “Alte Liebe” lockt mich an. Es ist gut besucht und die Menschen sehen zufrieden aus, also erliege ich der Verlockung. Am Nebentisch feiern einige Schweizer “Justus Bachelor Party”, mit einem albern verkleideten Justus in der Hauptrolle. Sie trinken Astra, essen Schnitzel und wer am lautesten lacht hat gewonnen. Sie wollen Party machen, am liebsten gleich mit der blonden Bedienung. Diese jedoch bleibt cool und erwähnt nebensächlich, das ganz Köln am Christopher Street Day eine einzige große Partymeile ist. Für einen Moment erstirbt das Lachen und alle Augen richten sich auf den Best Man, der vermutlich den Ausflug organisiert hat. Dieser bestellt noch eine Runde Astra und die Sache läuft wieder rund. Wer weiss in wessen Bett der ein oder andere der Herren morgen aufwacht.

Meine Spaghetti Napoli sind al dente, die Sugo ist perfekt und die Portion reichlich. Dazu gibt es ein alkfreies Hefe und einen halben Liter Cola (AW*: 5 l). Ich schwitze und nehme meinen eigenen Geruch unangenehm war, ausserdem bin müde, also schliesse ich für einen Moment die Augen. Innerhalb von Sekunden schlafe ich ein, werde aber sofort wieder geweckt, als der Kellnerin ein Teller mit Salat herunterfällt. Wer fährt, schläft nicht. Und vermeidet olfaktorische Belästigung. Also in der Regel. Die Nudeln können ihren vollen Wirkungsgrad noch nicht entfalten und ich beschliesse, etwas langsamer zu fahren. Präsentiert sich Bonn bieder elitär, so zeigt Köln allen, wessen Kind es ist. Galerien, Museen, Designgeschäfte… ich kann mich gerade noch zurückhalten, verschwitzt und stinkend in einen Laden für Vitra Designmöbel einzufallen. Kölns Rheinufer hat sich rausgeputzt, sogar die Denkmäler für Industriekultur sind auf Vodermann gebracht.

Irgendwie bin ich trotzdem froh, als ich die viel zu volle Rheinpromenade hinter mir lasse, zum Abschied gibts ein Foto mit nur kleinem Dom.

Die Rheinwiesen sind übervölkert, überall parken Autos, Fahrräder, Wohnmobile und alles möchte so schnell wie möglich an und in den Rhein. Wieder durchquere ich einen Industriekomplex. Wir sind Ford. Wir fahren Ford. Aha, gute Städteplaner seid ihr aber nicht, so viel steht fest. Hunderte Kilometer Rheinradweg haben mich verwöhnt und empfindlich gemacht gegenüber den Bollwerken des Fortschritts. Ford. Wir tun was! In einem Kölner Randbezirk finde ich einen Penny, 1,5 l Wasser + Sparkling Icetea = 1,18 €, davon 0,50 € Pfand. (AW: 6,3 l)

Und bald darauf befinde ich mich im Grenzgebiet zwischen Köln und Leverkusen. Der ländliche Charakter beruhigt und ich setze mich einen Moment in den Schatten eines Baumes. (Randnotiz: Erste Pinkelpause des Tages. Noch nicht genug geschwitzt, was?)

Auf einem Deich fahre ich weiter durch sommerliches Idyll. Mein inzwischen gereifter Plan ist, bis Neuss zu radeln und mir dort eine Bleibe für die Nacht zu suchen. Ab und um Dormagen herum wird es unbehaglich. Mich beschleicht das Gefühl, der Radweg würde nur durch diese hässliche Stadt geführt, damit überhaupt mal jemand vorbeikommt. Aber die Jungs hier fahren richtig tolle Audis mit viiiiiiiieeeel PS, was man an jeder Ampel bewundern darf. Hinweisschilder ignorierend orientiere ich mich am Rheinlauf und nehme auch das Fahren auf einem Feldweg in Kauf. Über Rheinfeld erreiche ich die Feste Zons.

Ein sehr hübsches Städtchen mit vielen herausgeputzten Gästen einer Hochzeitsgesellschaft. Die Braut interessiert mich aber nicht, dafür der halbe Liter Cola auf dem Tisch vor mir (AW: 6,8 l) und für den Weg nach Neuss fülle ich ebenfalls einen halben Liter Wasser in meine Flaschen (AW: 7,3 l).

Die Hitze fordert ihren Tribut. Etwas planlos versuche ich, den richtigen Weg nach Neuss zu finden und lande das zweite Mal heute auf einem Feldweg. Also bemühe ich mal wieder das Navi und tatsächlich navigiert es mich zur B9, die mich direkt nach Neuss bringt. Am Stadtrand von Neuss überkommen mich Zweifel. Mir gefällts hier nicht. War da nicht auf dem Weg hierher ein Gasthof “Vater Rhein” genannt? Wo war das nur? Mein Smartphone weiss Rat: Stürzelberg! Also drehe ich um und fahre wieder an der B9 entlang zurück. Die Abzweigung nach Stürzelberg verpasse ich in geistiger Umnachtung. Fleissig strample ich bis an den Ortsrand von Dormagen, von da nehme ich den mir bereits bekannten Weg über Zons nach Stürzelberg. Dann gibt es noch einige Extrameilen für Strava.

Zeitsprung:
Zum Matjes Hausfrauenart genehmige ich mir ein alkfreies Weizen und einen halben Liter Sprite (8,3 l).

*AW – Amounts of water

2 Comments
  1. Rob

    5. Juli 2015 14:01

    Aloha! Sehr schöne Berichterstattung, da kommen Erinnerungen hoch! Weiterhin viel Spaß und: Fancy Bart! 😀

    Gruß,
    Rob

    • bernd

      6. Juli 2015 11:47

      Gracias, gracias! Ich würde es wieder tun. ?

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