Anzufangen ist wichtiger als anzukommen.
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5 Fragen an…

Jesko von Werthern, Vater des Taunus Bikepacking, das 2022 zum fünften Mal Radfahrer*innen in mein Heimatrevier lockt. Über die Entdeckung der Langsamkeit, Abenteuer vor der Haustür und jede Menge Sehenswürdigkeiten spricht er in diesem Interview.


1.000 km, 20.000 hm und das nicht immer auf besten Wegen. Gehören Schmerzen Deiner Meinung nach zu einem gelungenen Selfsupport-Bikepacking dazu?

Nicht unbedingt Schmerzen, aber es darf schon gerne schwierig sein. Ich halte es da mit Mike Hall, der mich vor vielen Jahren zum Radfahren inspiriert hat: “Nothing that’s worth anything is ever easy.” Man muss nun mal hoch auf den Hügel, wenn man die Aussicht genießen will, und die Abfahrt. Geschenkt wird einem nichts. Die Strecke ist aber nicht absichtlich schwierig gestaltet in dem Sinn, dass ich jetzt wahllos möglichst viele steile Anstiege eingebaut hätte. Jede schwere Stelle hat irgendeinen Sinn und Zweck. Ich will dir damit immer irgendwas zeigen, was du sonst nicht sehen würdest. Wenn es zwei verschiedene Wege zu einem lohnenden Ziel gibt, dann wähle ich nicht unbedingt den härteren, sondern immer den schöneren. Die Strecke ist ja in erster Linie für mich selbst als Trainingsstrecke entstanden. Immer nur flach und auf glattem Asphalt finde ich persönlich langweilig. Und auch anstrengend, mental zumindest. Ich will immer was Neues sehen und fahre selbst am liebsten herausfordernde Touren. Nicht die Strecke verursacht übrigens die Schmerzen, sondern das Tempo. Wenn du 1.000 Kilometer auf Zeit fährst, dann wird das weh tun. Und manche mögen ja genau das. Aber ich zwinge niemanden dazu, möglichst schnell zu fahren. Im Gegenteil: ich freue mich, wenn die Leute es langsamer angehen lassen und sich Zeit nehmen für die Dinge am Wegesrand. Wenn du so fährst, dann ist es definitiv mehr Genuss als Schmerz.

Foto: Adrian Crapciu

Was zeichnet den Taunus als Austragungsort nach besonders aus?

Der Taunus verbindet einige Vorzüge. Das ist mir aber leider auch erst aufgefallen, nachdem ich schon über den halben Kontinent gefahren war, obwohl ich direkt vor der Haustür ein so perfektes Revier für ein Abenteuer hatte. Zunächst mal ist er ziemlich gut erreichbar und erschlossen. Du kommst schnell hin, du kommst auch schnell wieder raus, wenn dir zum Beispiel die Zeit ausgeht oder irgendwas schiefgeht. Du bist nie wirklich weit von einem Bahnhof entfernt. Trotzdem hast du hier noch Landschaften, in denen man sich verlieren kann, wo du stundenlang keine Menschen triffst und winzige Dörfer, in denen die Zeit stehengeblieben zu sein scheint. Dann gibt es die vielen Schutzhütten, die sind natürlich auch einfach praktisch. Außerdem ist er wirklich überraschend vielfältig, was die Landschaften angeht. Viele denken beim Taunus nur an den dichten Wald rund um den Großen Feldberg und vergessen dabei – oder wissen vielleicht gar nicht – wie viele andere Landstriche noch dazu gehören. Das Schönste ist eigentlich, wenn jemand die Strecke fährt, der oder die denkt, den Taunus schon gut zu kennen und mir dann später erzählt, dass viel Neues dabei war. Und dann gibt es einfach so viel zu entdecken. Im Taunus stehen Schlösser, Burgen, Klöster, alte römische Kastelle, Aussichtstürme, von denen selbst einige Locals noch nie gehört haben. So ging es mir ja selbst jahrelang. Als ich angefangen hab, das für mich alles nach und nach so richtig zu entdecken, da wurde mir schnell klar, dass ich das auch anderen Leuten zeigen will. Dass du nicht immer weit weg fahren musst, um ein echtes Abenteuer zu erleben. Auch mitten in Deutschland gibt es noch sehr viel zu entdecken. Das ist für mich die Erkenntnis aus der ganzen Geschichte.

GIbt es den einen Lieblingsort den Jesko allen anderen vorzieht und wenn ja, welcher wäre das?

Gute Frage! Es gibt ganz viele Lieblingsorte, an denen ich gerne mal anhalte, aber eigentlich nie besonders lange. In Bewegung fühl ich mich am wohlsten. Wenn du die Strecke fährst, dann reiht sich da ein Lieblingsort an den nächsten. Das setzt sich dann zu einem Ganzen zusammen und das macht es irgendwie auch aus. Du kannst die Strecke hundertmal fahren und wirst immer andere Sachen entdecken und bemerken, auch je nach Jahres- und Tageszeit. Im Taunus habe ich einige der schönsten Sonnenuntergänge überhaupt erlebt, aber auch definitiv einige der härtesten Tage auf dem Fahrrad. Ganz konkret gibt es natürlich so ein paar Highlights, die einfach in den Track gehören und die ich auch nicht mehr rausnehmen würde: Burg Ehrenfels, die alte Eisenstraße zwischen Steckenroth und Michelbach, Weilburg, Braunfels, Bad Ems, die Altstadt von Limburg, Runkel, das Dörsbachtal, den Hausberg, den Galgenberg bei Villmar – es sind einfach zu viele, um sie hier aufzuzählen.

Foto: Lissa Breugelmans

Wieviel Zeit steckt eigentlich in einer Ausgabe des Taunus Bikepacking, inkl. Scouting. Du experimentierst ja weiterhin mit der Route und schaffst es jedes mal eine weitere Überraschung einzubauen.

Das kann ich gar nicht so genau sagen. Der organisatorische Aufwand steigt jedes Jahr. Aber das macht eigentlich alles Spaß, sonst würd ich es auch nicht machen. Ich kann dir genau sagen, wieviele Kilometer ich beim Scouten der Route gefahren bin, weil ich das alles aufgezeichnet habe: 10.764 Kilometer und 171.591 Höhenmeter. Ich bin ja aber immer noch nicht fertig. Es gibt noch ein paar Ecken, an denen ich die Strecke verbessern will. Auch wenn es wirklich jedes Jahr etwas schwieriger wird, diese Ecken zu finden. Ein Großteil des Scoutens besteht nämlich daraus, Wege auszuprobieren, die entweder gar nicht fahrbar oder einfach nicht schön genug sind und die man dann nicht in die Strecke übernimmt. Ich probiere eigentlich immer alle Alternativen aus, bevor ich mich für einen Weg entscheide. Nur ganz selten bleibt ein Stück am Ende so, wie ich es irgendwann mal im Routenplaner zusammengeklickt hatte.

Inzwischen gibt es ja auch hierzulande einige Veranstalter und/oder Anbieter von Selfsupport-Events mit kommerziellem Interesse. Wäre das für Dich ein Geschäftsmodell für die Zukunft?

Ich glaube eher nicht, dass das für mich ein lohnendes Geschäftsmodell werden könnte. Zumindest nicht, wenn man das so aufzieht, wie ich es mache. Ich stecke da so viel Zeit rein und lerne eigentlich jetzt erst langsam, wie man sowas organisiert, ohne danach mit Miesen dazustehen. Die ersten Jahre hab ich nur draufgezahlt. Mittlerweile werden theoretisch die Kosten gedeckt, aber die viele Zeit, die ich so über das ganze Jahr investiere und die Hilfe die ich kriege, die kann ich gar nicht aufrechnen. Wenn ich damit noch etwas verdienen wollte, dann müsste das Startgeld um ein Vielfaches höher sein. Und ich weiß ehrlich gesagt auch nicht, ob ich dann überhaupt noch Lust darauf hätte. Du darfst nicht vergessen, wie das alles angefangen hat. Ein Event hatte ich gar nicht im Sinn, als ich 2017 angefangen hab, die Strecke zu scouten. Die war erstmal nur für mich selbst gedacht. Ich hab dann eine Handvoll Freunde eingeladen, um sie zu testen. Daraus hat sich über die Jahre irgendwie ein Event entwickelt, das jedes Jahr etwas größer und aufwändiger wird. Es ist aber immer noch eine vergleichsweise kleine und familiäre Veranstaltung. Familiär im Wortsinn – meine Familie und ein paar Freunde sind immer noch die einzigen Helfer, wir machen alles selbst. Ich halte es bewusst eher klein, anstatt es künstlich aufzublasen. Wahrscheinlich auch, weil ich selbst am liebsten an solchen Events teilnehme, die eher unkommerziell und dafür persönlicher sind. Mir ist einfach wichtig, dass es etwas Besonderes bleibt. Natürlich wächst es Jahr für Jahr ein bisschen, aber von einem lohnenden Geschäft ist das weit entfernt.

Foto: Rich Marshall

Wer nun Lust hat, zu erfahren, wie ich das Auftaktevent des Taunus Bikepacking 2018 erlebt habe, der sollte hier mal reinschauen….
https://jacominasenkel.de/2018/09/21/taunus-bikepacking-es-ist-angerichtet

Und wer sich direkt für die Edition 2022 anmelden möchte, ist hier herzlich willkommen:
https://taunus-bikepacking.com

4 Comments
  1. Julia Woelke von Werthern

    28. Januar 2022 11:21

    Hallo Bernd,
    Ein sehr schönes und interessantes Interview mit Jesko!
    Es hat mir großen Spaß bereitet, es zu lesen!
    Ich hoffe, wir sehen uns beim nächsten taunusbikepacking 😉😉
    Liebe Grüße Julia

    • bernd

      28. Januar 2022 11:26

      …das freut mich! Und ja, wir sehen uns. 🙂

  2. Julia Woelke von Werthern

    28. Januar 2022 17:28

    Schön!🤗🤗

  3. Dirk Wendt

    29. Januar 2022 12:28

    Jesko hat ein so tolle “Einstellung” zum Fahrrad fahren (im Sinne von mir nah) und auch dem Taunus und Taunus-Bikepacking, alles durch die 5 interessanten Fragen und Jeskos Antworten schön und kurzweilig zu mir transportiert. Danke dafür.

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