Anzufangen ist wichtiger als anzukommen.
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#cbg18: Vom Mitnehmen und Mitbringen

„Wir begrüßen die Passagiere des Fluges #cbg18 an Bord und
wünschen ihnen einen angenehmen Flug.“
(Susanne zur Freiheit / Fischmob)

 

Text: Dorie, Fotos vom Enkel und Martin Donat / lifecyclemag

Ein Fisch zu sein heißt, das Leben in Bewegung verbringen. Ein stetes Aufbrechen und Ankommen.  Vielleicht ist mir Reisefieber daher völlig fremd. Auch die Frage nach dem, was mitzunehmen ist, stellt sich mir nicht. Ganz und gar anders aber ist es beim Enkel. Hat ihn das Reisefieber erstmal gepackt, bewegt er sich vertikal durchs Haus. Geht in den Keller, wühlt in Kisten, dann unters Dach, wieder in den Keller, an den Kleiderschrank und wieder in den Keller. Irgendwann steht dann zur Freude der ganzen Familie ein Rad im Wohnzimmer, Taschen, Klamotten und Kleinteile werden verteilt. Die Utensilien verschwinden in den Taschen, werden wieder ausgepackt und so weiter und so fort. Wobei…. eine gewisse Routine hat sich inzwischen eingestellt, das kann ich nach den Trips, die ich begleiten durfte, feststellen.

„Hey, hey, was geht’n ab?
Packt eure Sachen, wir heben ab
zur Sonne, zur Freiheit.
Schön, dass ihr dabei seid!“
(Susanne zur Freiheit / Fischmob)

 

Aber, seien wir mal ehrlich, ob Fisch oder Mensch, den meisten Ballast tragen wir in uns. Sich von diesem zu Befreien, ist oft Sinn und Zweck des Reisens. Je weiter man von seiner Komfortzone entfernt ist, umso stärker wirkt, was man hat und die Erkenntnis wie gut es einem geht, setzt sich durch. Geht der Enkel auf Reisen, fürchtet er weder Regen, Pannen noch Stürze, sondern die Trennung von der Familie. Die diffuse Befürchtung, der Abschied könne von Dauer sein. Als Fisch mit 30.000 Geschwistern ist das letzte was mich plagt Verlustangst. Fressneid, ja oder die durchaus rationale Angst vor Haien oder Barracudas, aber wie oft trifft man die, im Osten Deutschlands?

„Hut ab, das geht ja gut ab!
Wenn ihr, wie wir, vom Hier und Jetzt genug habt
fresst ‘n Stück Nugat,
macht euch locker,
packt eure Koffer,
lutscht am Lolli wie Kojak,
denn we’re hittin’ the road, Jack!“
(Susanne zur Freiheit / Fischmob)

 

Nur für die, die noch nicht wissen, worüber ich hier schreibe sei gesagt: wir fuhren mit dem Rad über Umwege von Frankfurt nach Berlin. Und wie die nächsten Tage zeigen sollten, nutzt die beste Vorbereitung nichts, wenn das Glück einem nicht hold ist. Oder Tyche, Schai, die Nornen oder Murphy. Die Distanz alleine verrät nichts über die Qualität einer Strecke. Selbst unter Einbeziehung der Höhenmeter wird nur ein halber Schuh daraus. Nach Berlin also. Für die, die wenig haben und Freunde, die es nicht mehr können.

 

Zunächst chauffiert uns aber ein Zug nach Frankfurt, wo uns Diversität aus Rädern und Beinen erwartet. Ob glattrasiert und schlauchlos glücklich oder tintenpigmentiert im Karohemd, die Lust auf Langstrecke eint sie. Wortprominenz soweit das Auge reicht. Gemeinsam rollt man für das obligatorische Gruppenfoto zum Start, dort singen wir einer Geburtstagsjubilarin noch ein Ständchen. Und als wir derer gedenken, die nicht mehr bei uns sind, wird es still.

„Yes, I understand that every life must end, uh-hu,
As we sit alone, I know someday we must go, uh-hu,
Oh I’m a lucky man, to count on both hands the ones I love
Some folks just have one, yeah, others, they’ve got none, uh-hu,
Stay with me… Let’s just breathe…“
(Stay with me / Pearl Jam)

 

Joachim macht sich schon mal warm…

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Aufbruch… ein milder Wind schiebt uns in Richtung Südwesten und der Fahrtwind trocknet die ein oder andere Träne. Die Luft ist lau, die Wolken launisch. Sie kümmert kein Verlust. Sind Getriebene und immer im Zustand der Auflösung. Ihre Geheimnisse behalten sie für sich. Zumindest noch bis zum nächsten Tag, den einige der Piloten bereits jetzt zu fürchten scheinen. Es soll regnen. Dagegen kann aber kein Fisch etwas haben und so freue ich mich insgeheim. Zwischen Frankfurt und Darmstadt rollen wir so dahin, sparen unsere Kraft für Spessart und Rhön. Es riecht nach Frühling. Spargelwiesen wechseln sich mit Erdbeerfeldern ab. Die Streckenwahl könnte besser nicht sein. Meditation in Bewegung. In meinen Augen die heilsamste Art der Fortbewegung, wenn alles fließt und nichts stockt. Flow. Es fühlt sich entspannter an, als im letzten Jahr, als der Candy B. mit einem Sprint um die vorderen Plätze begann. Man beschnuppert sich, denn auch wenn der Candy als Sebstversorger Bikepacking Fahrt ausgeschrieben ist, fahren nicht alle die ganze Strecke solo. Weil es sich z.B. kaum vermeiden lässt, niemanden zu treffen, der ein ähnliches Tempo fährt. Oder weil man, dem Zufall geschuldet, die Pausen immer wieder miteinander verbringt. Andere müssen berufsbedingt langsamer treten, um zum Beispiel Fotos zu machen. So ist das bei Martin Donat, der nicht nur einer von zwei Herausgebern des Lifecyclemags ist, sondern sich auch für einige Artikel und Fotoserien im hauseigenen Mag verantwortlich zeichnet. Mittendrin statt nur dabei mischt sich Martin auf seinem Salsa Cutthroat unter das Peloton. Zu allem, was er zur Gesunderhaltung von Mensch und Maschine mit sich führt, addiert sich noch eine komplette Fotoausrüstung, was ihn aber nicht daran hindert, beim Downhill alle Fahnen wehen zu lassen. So hockt er entweder fotografierend am Streckenrand oder er hackt dem Feld hinterher, überholt es, postiert sich neu und sammelt so jede Menge sehenswerter Eindrücke. (Was nicht zuletzt diesem Beitrag zu Gute kommt. Danke Martin und einen lieben Gruß an Ratti!)

 

Flankiert von Weinreben wuchten wir unsere Bikes den Apostelberg bei Michelbach hinauf. Dabei entgeht uns die kompakte, mit Kandis und Karamell abgerundete duftige Nase aus Beeren, Blüten, hellen Pfirsichen und Orangen. Auch die feine, animierend süße Würze kandierter Pfirsiche des Götterrieslings der hier wächst, können wir nicht kosten. Dafür erwartet uns am Ende der Mühsal Trail Magic und versüßt die kurze Pause, die wir hier einlegen. Der Buschfunk meldet, das Kay, mit dem wir im letzten Jahr ein Stück nach Berlin fuhren auf Grund eines schweren Sturzes hinter Darmstadt abbrechen musste. Verletzungen, schlimm genug, aber nur oberflächlich.

Sagen und Mythen, Eure Heimat ist der Spechtswald. Und irgendwie erwartet man auch im Jahr 2018 noch, das hinter der nächsten Ecke Räuber lauern könnten. Oder eine junge Version von Liselotte Pulver, was dann zwar weniger schlimm, aber umso verwirrender wäre, durch den Effekt der Zeitdilatation aber zumindest theoretisch möglich. In Sachen Atmosphäre wird mir aber nicht bange. Der Spessart liefert… Landschaft, Einsamkeit und Höhenmeter satt. Das macht natürlich Eindruck. Da können die folgenden 30 km Flachland nicht mithalten. Merke: nasse Wiesen machen nasse Füsse. Und Bachdurchfahrten manchmal nasse Radfahrer. Es ist aber nicht der Enkel, sondern ein anderer Martin, der sich ein verfrühtes Vollbad gönnen wollte. Eine schwarzgraue Wolkenwand verdunkelt das Rot und läutet einen frühen Abend ein. Der Himmel grollt. Vereinzelt fallen einige Tropfen, aber nass werden wir nicht. Unter uns liegt Schlüchtern, vor uns die Nacht. Und der erste Blitz sucht sich seinen Weg. Martin D. und Ratti haben die Führungsarbeit übernommen, Martin II aka ‚Huckleberryhess‘ (warum eigentlich?) dahinter und weit abgeschlagen der Enkel und ich. Die Beine des alten Mannes geben ein eindeutiges Feedback, was sie von seiner Trainingslethargie halten. Aber er ist frohen Mutes und pfeift sich eins auf das nun mit der Faust drohende Gewitter. Ein Plan muss her… durchfahren ist natürlich eine Option. Irgendwo halten, das Wetter beobachten, etwas essen und weiter. Und dann? Während ich noch grüble, nimmt der Enkel einen der nun wieder zahlreich im Weg stehenden Anstiege, zwar nicht im Flug, aber er nimmt ihn und schließt so auf die ihm Vorfahrenden auf. Aus den vorderen Reihen ist nun der Ruf nach Pizza zu vernehmen. Gelegenheit bietet sich in Neuhof. Inzwischen ist es dunkel. Nein, finster. Ab und an wird der Himmel unvermittelt aufgerissen und durch den Vorhang der Nacht zuckt grelles Licht. Vor und hinter uns sieht man namenlose Lichtkegel, hastend, suchend. Irgendwie kann sich das Wetter nicht entscheiden, dribbelt nervös im Strafraum herum.

Wir bleiben aber trocken und endlich heißt es: Essen… und noch mehr Essen. Und reden… über das Essen, über anderes Essen und über das Essen der Anderen. Bis Fulda sind es noch ca. 15 km und dann noch 35 km bis Point Alpha. Aber essen macht müde und so greift ein Plan der reifen Männern eigen ist. Sie kneifen und statt sich ausserhalb der Ortschaft einen Platz zum Schlafen zu suchen, beschliessen sie, sich ein Zimmer in einem Gasthaus zu teilen. Eine Herberge ist schnell ausgemacht und an der Theke-Slash-Rezeption trifft man zwei andere Piloten. Müde, aber wagemutig, im Aufbruch in die Nacht begriffen. Kurz flackert Zweifel auf. Macht man das Richtige? Aber ja, die Herren. Im günstigen Zimmerpreis inbegriffen ist ja auch ein Frühstück und nass wird man noch früh genug. Versprochen!

Ende Teil 1. Hier gehts zu Teil 2…

7 Comments
  1. Anonymous

    25. Mai 2018 13:24

    4.5

  2. CHRISTOPHER

    25. Mai 2018 15:33

    Hach, schön!!

  3. Anonymous

    25. Mai 2018 17:11

    5

  4. bernd

    25. Mai 2018 17:42

    Danke Dir! Schön war es auch!

  5. Dermario

    25. Mai 2018 21:34

    Ich schwelge in Erinnerungen….toll! Bitte bald Nachschub☺️

    • bernd

      26. Mai 2018 7:15

      Moin Mario,

      danke! Bin dran… 😉

  6. […] „Ein Fisch zu sein heißt, das Leben in Bewegung verbringen. Ein stetes Aufbrechen und Ankommen.  Vielleicht ist mir Reisefieber daher völlig fremd. Auch die Frage nach dem, was mitzunehmen ist, stellt sich mir nicht. Ganz und gar anders aber ist es beim Enkel. Hat ihn das Reisefieber erstmal gepackt, bewegt er sich vertikal durchs Haus. Geht in den Keller, wühlt in Kisten, dann unters Dach, wieder in den Keller, an den Kleiderschrank und wieder in den Keller. Irgendwann steht dann zur Freude der ganzen Familie ein Rad im Wohnzimmer, Taschen, Klamotten und Kleinteile werden verteilt. Die Utensilien verschwinden in den Taschen, werden wieder ausgepackt und so weiter und so f…“ weiter geht es lang! […]

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